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Pannenservice für EU-Kunden in Deutschland

Zuletzt aktualisiert: 08.2020

Welche Umsatzsteuer?

Sachverhalt: Ein Lkw einer im umsatzsteuerlichen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Spedition („EU-Ausländer“) bleibt mit Reifenschaden auf einer deutschen Autobahn liegen. Die Spedition beauftragt telefonisch einen international tätigen Pannenhilfsdienstring mit der Reparatur. Dieser wiederum beauftragt daraufhin einen in Deutschland ansässigen Reifenfachhandelsbetrieb mit der Reparatur des Reifenschadens.  

Der deutsche Reifenfachhandelsbetrieb erledigt die Reparatur und verwendet hierzu einen neuen Reifen (Lieferung eines Reifens im Rahmen einer sogenannten Werklieferung).  

Die Reparatur erfolgt im Regelfall mittels eines Servicemobils auf der Autobahn; an der Stelle, wo der Lkw liegen geblieben ist.  

Der deutsche Fachhandelsbetrieb rechnet mit dem Pannenhilfsdienstring und dieser mit der ausländischen Spedition ab. 

Wie sind diese Vorgänge umsatzsteuerlich korrekt abzuwickeln?  

Auf Veranlassung des BRV ist diese Frage von zwei Steuerberatungskanzleien untersucht worden. Hier veröffentlichen wir nun das von der Steuerberatungs-Kanzlei Ulrich K. Schaller (Kerpen) verfasste und durch Steuerberatungs-/Wirtschaftsprüfungskanzlei Scheiffarth (Köln) inhaltlich bestätigte Statement: 

Für umsatzsteuerliche Zwecke muss für den oben beschriebenen Fall eine Zuordnung zu den sogenannten „Lieferungen“ oder den „sonstigen Leistungen“ erfolgen.  

Hierbei ist die Leistung „Beseitigung eines Reifenschadens“ als einheitliche Leistung zu betrachten, da der Kunde schließlich nur das Ergebnis „reparierter Reifen“ als einheitliche Leistung bzw. als vollendetes Werk abnehmen wird.  

Wir befinden uns daher im Bereich des Werkvertragsrechts und müssen umsatzsteuerlich eine Zuordnung zu den Werklieferungen oder Werkleistungen vornehmen. Dies erfolgt nach § 3 Abs. 4 UStG unter Beachtung der zugehörigen EU-Richtlinien. 

Der Bundesfinanzhof führt in seiner Entscheidung vom 09.06.2005 unter Bezugnahme auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus: 

„Ob bei einer einheitlichen Leistung, die – wie hier – sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, der Umsatz als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige Leistung) zu beurteilen ist, richtet sich im Wesentlichen nach folgenden, gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätzen:  

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist das Wesen des Vorganges zu ermitteln; maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers. Wenn die Lieferungen nur einen Teil des Umsatzes darstellen, die Dienstleistungen aber überwiegen, ist der Umsatz als Dienstleistung zu beurteilen. 

Richtlinienkonform ist danach nur eine Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG 1993, welche den vorstehend genannten gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen zur Abgrenzung Lieferung/Dienstleistung entspricht. 

§ 3 Abs. 4 Satz 1 UStG 1993 betrifft einheitliche, aus Liefer- und Dienstleistungselementen bestehende Leistungen in Form der Be- oder Verarbeitung eines nicht dem Leistenden gehörenden Gegenstandes und stellt für die Abgrenzung einer Lieferung (Werklieferung) zu einer Leistung (Werkleistung) darauf ab, ob die bei der Be- oder Verarbeitung verwendeten Gegenstände des Leistenden lediglich „Zutaten“ und „sonstige Nebensachen“ sind (sonstige Leistung) oder nicht (Lieferung). Bei richtlinienkonformer Auslegung sind unter „Zutaten“ und „sonstige Nebensachen“ daher Lieferungen zu verstehen, die bei einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsbetrachters nicht das Wesen des Umsatzes bestimmen. So sind z. B. nach der Auffassung des EuGH Arbeiten an einem Pkw, für die zusätzlich kleinere Lieferungen von Gegenständen notwendig sind, insgesamt sonstige Leistungen.  

Dementsprechend hat der Senat einen Kfz-Ölwechsel als Lieferung von Motoröl und eine Kfz-Inspektion mit Ölwechsel als sonstige Leistung beurteilt.“ 

Vor diesem Hintergrund wird eine entsprechende Pannendienstleistung unter Verwendung eines neuen Reifens regelmäßig in den Bereich der Werklieferung fallen. 

Wir empfehlen insoweit die Anwendung der Grundsätze des Bundesministeriums für  
Finanzen. Dieses regelt mit Schreiben vom 12.12.2012, dass in den Fällen, in denen nicht zweifelsfrei entschieden werden kann, ob die Reparaturleistung als Werklieferung oder als Werkleistung zu qualifizieren ist, von einer Werklieferung ausgegangen werden kann, wenn der Entgeltanteil, der auf das bei der Reparatur verwendete Material entfällt, mehr als 50 Prozent des für die Reparatur berechneten Gesamtentgeltes beträgt. 

Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Lieferung vorliegt, muss geprüft werden, in  
welchem EU-Staat diese Lieferung steuerbar ist. 

Die vorliegende Lieferung wurde im Rahmen eines sogenannten Reihengeschäftes erbracht, da sowohl der deutsche Fachhandelsbetrieb mit dem Pannenhilfsdienstring als auch dieser mit der Spedition ein Umsatzgeschäft über den gleichen Liefergegenstand (Reifen) getätigt haben und der Gegenstand der Lieferungen unmittelbar vom deutschen Fachhandels-betrieb zu der Spedition gelangt (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG).  

Das Umsatzsteuerrecht unterteilt diese beiden Umsatzgeschäfte in eine „bewegte“ und eine „unbewegte“ Lieferung.  

Lediglich die bewegte Lieferung kann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 6a UStG steuerbefreit sein.  

Im vorliegenden Sachverhalt ist nach unserer Auffassung die bewegte Lieferung die Lieferung des Pannenhilfsdienstrings an den ausländischen Spediteur. Die Zurechnung der bewegten Lieferung zu dieser Lieferung erfolgt deshalb, weil der ausländische Spediteur schlussendlich die erworbenen Reifen an den Sitz der Firma (ausländische Spedition) transportiert (s. a. Abschnitt 3.14 Absatz 7 des USt-Anwendungserlasses). 

Bei dieser Betrachtungsweise ergibt sich für die Lieferung des deutschen Fachhändlers an den Pannenhilfsdienstring, dass diese nach § 3 Abs. 7 UStG in Deutschland steuerbar und, mangels Steuerfreiheit, auch zu 19 Prozent steuerpflichtig ist. Für eine Anwendung der Steuer-befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1b UStG in Verbindung mit § 6a UStG verbleibt kein Raum, da hierfür erforderlich wäre, dass es sich um eine sogenannte bewegte Lieferung handelt. 

Käme man vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Lieferung des deutschen Fachhändlers an den Pannenhilfsdienstring als bewegte Lieferung zu qualifizieren sei, ergäbe sich im Übrigen auch keine Anwendungsmöglichkeit der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1b UStG in Verbindung mit § 6a UStG. Die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift erfordert es, dass entweder der leistende Unternehmer (Reifenfachhandelsbetrieb) oder der Abnehmer (Pannenhilfsdienstring) den Gegenstand (Reifen) in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet oder befördert. Die Lieferung (Übergabe des Reifens) fand jedoch in Deutschland und somit im umsatzsteuerpflichtigen Inland statt. Die Beförderung des Reifens über die Grenze fand bereits durch den letzten Abnehmer (Spedition) statt. Somit sind die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG auch in diesem Fall nicht erfüllt. Es würde daher auch in dieser Fallgestaltung deutsche Umsatzsteuer für die Lieferung des Fachhandelsbetriebes entstehen. 

Des Weiteren lägen in beiden Fallgestaltungen nicht die erforderlichen Nachweise für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 6a Abs. 2 UStG in Verbindung mit den Vorschriften der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung vor.  

„Der Hinweis auf die mögliche Anwendbarkeit der Regelungen des EU-Steuerpaketes geht fehl. Diese Regelungen sind lediglich für den Bereich der umsatzsteuerlichen sonstigen Leistungen anwendbar“, schreibt der Steuerexperte abschließend. „Da solche hier im Regelfall nicht vorliegen, gehe ich auf diese Regelungen an dieser Stelle nicht weiter ein.“  

Einschränkender Vermerk: Die Steuerberatungskanzlei Schaller (Kerpen) weist ausdrücklich darauf hin, dass steuerrechtlich jeder Einzelfall individuell betrachtet werden muss. Die Kanzlei Schaller geht davon aus, dass es sich bei der in obiger Stellungnahme vorgenommenen rechtlichen Würdigung um den Hauptanwendungsfall in der Branche handelt. Dennoch kann die Kanzlei Schaller nicht ausschließen, dass es Sachverhalte gibt, bei denen der rechtliche oder tatsächliche Rahmen abweicht. Die Kanzlei Schaller schließt deshalb eine Haftung ausdrücklich aus. 

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