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Reifendichtmittel - Pannensprays

Zuletzt aktualisiert: 05.2018

Einer Vielzahl immer wiederkehrenden Anfragen in der BRV-Geschäftsstelle sowohl zum rechtlichen Hintergrund als auch zu allgemeinen Vor- und Nachteilen solcher Mittel Rechnung tragen, soll im Folgenden einmal ausführlich zur Thematik Stellung genommen werden:

Wie allen Reifenfachleuten hinlänglich bekannt, werden seit Jahren oftmals von unbekannten Herstellern und Vertriebsorganisationen Produkte unter dem Oberbegriff "Pannenspray" bzw. "Reifendichtmittel" angeboten. 

Unter Einbeziehung des in Deutschland für den Einsatz derartiger Mittel heranzuziehenden § 36 StVZO ist eine generelle Differenzierung zwischen den Produkten bzw. Anwendungsbereichen als Pannenspray bzw. vorbeugendes Reifendichtmittel vorzunehmen. 

Pannenspray

Gemäß § 36 StVZO (Auszug aus den Richtlinien für die Beurteilung von Luftreifen) wird unter Punkt 5,4 die Verwendung von Pannenspray zur Abdichtung von Reifenverletzungen eindeutig auf den Sachverhalt des Notbefehls im Zuge einer Pannenhilfe begrenzt. Somit ist das Abdichten eines beschädigten Reifens zur Erlangung einer beschränkten Fahrtüchtigkeit seitens des Gesetzgebers klar auf die Überbrückung der Distanz zwischen Pannenort und nächstgelegener Fachwerkstätte beschränkt. 

Eine darüber hinausgehende Anwendung des Pannensprays, z.B. als vorbeugendes Dichtelement bzw. zur langfristigen Abdichtung von beschädigten Reifen, ist jedoch auf Basis dieser Rechtsvorschrift nicht zulässig. 

Reifendichtmittel

Wie dem Reifenfachmann bekannt ist, werden in § 36 StVZO in eindeutiger, klarer Definition die Eckwerte für eine sach- und fachgerechte Reifenreparatur dargelegt. 

Alle darin enthaltenden Mindestanforderungen an eine Reifeninstandsetzung, wie z.B. die Verwendung eines Deckenpflasters an der Reifeninnenseite in Verbindung mit einer Vulkanisation des Lochkanals wie z.B. die Verwendung eines einteiligen, vorvulkanisierten Reparaturkörpers, schließen die Verwendung von Reifendichtmittel zur Behebung von Reifenverletzungen aus. 

Reifendichtmittel können, ungeachtet ihrer Konsistenz bzw. der verwendeten Inhaltsstoffe, zum einen nicht den im Begriff des "Deckenpflasters" enthaltenden Anforderungen an eine dauerhafte, homogene Verbindung mit der Reifeninnenseite einschließlich der Überbrückung der beschädigten Karkassen genügen. Zum anderen können sie nicht die Erwartungen erfüllen, die an eine aus dem Fahrbetrieb entstehende, mechanischen und technischen Belastungen standhaltende Abdichtung des Lochkanals zu stellen sind. 

So kann an der Schadensstelle sowohl von außen (z.B. durch Fahrbahnnässe etc.) als auch von der Reifeninnenseite (durch das oftmals als Lösungsmittel in Pannendichtmittel enthaltende Wasser) Feuchtigkeit in den Schadenskanal und somit in den Festigkeitsträger des Reifens eindringen. 

Die hieraus entstehende Gefahr einer möglichen Beeinträchtigung der Festigkeitsträger durch Feuchtigkeitsaufnahme bzw. Korrosion muss hierbei dem Reifenfachmann sicherlich nicht näher dargestellt werden. 

Infolge der Verwendung von Reifendichtmitteln ist auch eine Beurteilung des beschädigten Reifens in seiner Gesamtheit, d.h. im demontierten Zustand, kaum noch möglich. Bekanntlich können Folgeschäden einer Reifenbeschädigung, wie z.B. Betrieb mit Minderluftdruck, Plattrollspuren etc., oftmals erst bei der Begutachtung der Reifeninnenseite festgestellt werden. Dieser ganzheitlichen Beurteilung des beschädigten Reifens, welche im Gesetzestext durch die Reparatur sowohl an der Reifeninnenseite als auch an der Reifenaußenseite entsprechend vorgegeben ist, wird bei der Verwendung von Reifendichtmitteln in keinster Weise Rechnung getragen. 

Deshalb warnen auch die Reifenhersteller vor der Anwendung von Dichtmitteln (vgl. WdK-Leitlinien Nr. 90 und 92: "Die Verwendung von Dichtmitteln ist bei Durchstichen aus Sicherheitsgründen nicht zulässig, da keine Kontrolle des Reifeninneren über das Ausmaß der Schädigung mehr möglich ist.") und lehnen Reifen, die mit solchen Dichtmitteln bearbeitet wurden, in einem eventuellen Beanstandungsfall in der Regel ab. 

Neben den vorgenannten rechtlichen Vorbehalten gegen den Einsatz von Reifendichtmitteln gibt es eine Reihe von technischen Fragen, die bei einer möglichen Anwendung zu hinterfragen sind:

  • Unwuchtverhalten des befüllten Reifens
  • Runderneuerungsart einer derart behandelten Karkasse
  • Entsorgung von mit Dichtmitteln überfüllten Karkassen
  • Frostempfindlichkeit der Reifenfüllung bei Minusgraden etc.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit Ausnahme der engen Anwendungsgrenzen für Pannenspray gemäß § 36 StVZO die sonstige Verwendung von derartigen Mitteln zumindest ein nicht unerhebliches rechtliches Risiko in sich trägt. Des Weiteren unterstützen derartige Produkte eine Do-it-yourself-Mentalität des Endverbrauchers, die in diesem Fall zum einen ein Sicherheitsrisiko darstellt und wodurch zum anderen die Position des Reifenfachhandels bzw. Vulkaniseurs und der durch die fachgerechte Reifenreparatur mögliche praktizierte Umweltschutz verloren geht. 

Diese Gesamtdarstellung gilt in vollem Umfang beispielsweise auch für das im Moment viel diskutierte "vorbeugende Dichtmittel TIROL" und wir können vor dem Hintergrund der eingangs gemachten Ausführungen nur ausdrücklich vor dessen Anwendung warnen.

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