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Import von Markenreifen

Zuletzt aktualisiert: 05.2018

Zollamt darf Ware zurückhalten

Ein Fall aus der Praxis hat in den vergangenen Monaten für einiges Aufsehen in der Reifenbranche gesorgt: Ein deutscher Reifenhändler hatte in Singapur einen Container Lkw-Reifen gekauft, der in Hongkong verschifft wurde. Das Zollamt am Unternehmenssitz des importierenden Händlers verlangte unter Hinweis auf markenschutzrechtliche Gründe von ihm eine Bescheinigung des Lkw-Reifen-Produzenten (in diesem Fall Michelin) darüber, dass er zum Vertrieb der Produkte in Deutschland berechtigt ist. Anderenfalls erfolge keine Freigabe der Ware bzw. könne keine Verzollung erfolgen. 

Ist dieses Vorgehen des Zolls rechtens und – wenn ja – auf welcher konkreten rechtlichen Grundlage basiert es? Das ist eine für den Reifenfachhandel wichtige Grundsatzfrage, um deren Klärung sich der BRV seit Mitte Mai intensiv bemüht hat.  

Um die Ergebnisse der umfangreichen Recherchen gleich vorwegzunehmen: Ja, das Zollamt ist auf Basis der EG-Verordnung Nr. 1383/2003 vom 22. Juli 2003 berechtigt, Importwaren aus Nichtgemeinschaftsländern bis zu zwanzig Arbeitstage zurückzuhalten bzw. deren Überlassung an den Importeur auszusetzen, wenn der Verdacht besteht, dass diese Waren ein Schutzrecht (z.B. Marken- und Urheberrechte, Geschmacksmuster oder Patente) verletzen. Der Zoll benachrichtigt dann unverzüglich den Rechtsinhaber – in diesem Fall also den Reifenhersteller – und setzt ihm eine Frist (in der Regel zehn Arbeitstage ab Eingang der Benachrichtigung, mit Verlängerungsmöglichkeit um weitere zehn Tage auf Antrag des Rechtsinhabers) für die Klärung, ob tatsächlich eine Schutzrechtsverletzung vorliegt. Informiert dieser nach Prüfung der Sachlage die Zollbehörde, dass dies nicht der Fall ist, hebt das zuständige Hauptzollamt die Zurückhaltung der Ware auf bzw. bewilligt deren Überlassung (vorausgesetzt, alle weiteren Zollförmlichkeiten sind erfüllt). Stellt der Rechtsinhaber jedoch eine Rechtsverletzung fest, kann er ein Gerichtsverfahren gegen den Importeur einleiten, in dem letztendlich über die Beurteilung der Sachlage entschieden wird. Bestätigt das Feststellungsverfahren eine Verletzung der Schutzrechte, werden die Waren anschließend vernichtet. 

Wichtig dabei zu wissen: damit der Zoll überhaupt einschreitet, „muss der Inhaber eines Rechts geistigen Eigentums bereits im Vorfeld einen so genannten Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden bei der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz (ZGR) in München einreichen“ – so teilte die bei der Oberfinanzdirektion Nürnberg angesiedelte ZGR auf die Anfrage des BRV zum konkreten Fall mit. Diese Stelle prüft zunächst, ob die Voraussetzungen zur Bewilligung des Antrages vorliegen (Antragsteller ist Inhaber des Schutzrechts, Hinweise zur Erkennung einer Schutzrechtsverletzung wurden zur Verfügung gestellt etc.). Falls ja, werden die Zollstellen informiert und greifen bei Verdachtsmomenten ein. „Durch diese Zusammenarbeit mit der deutschen Zollverwaltung kann der Rechtsinhaber die Einfuhr von Fälschungen oder Nachahmungen seiner Waren aus Drittländern verhindern. Er schützt dadurch sein Unternehmen vor erheblichen wirtschaftlichen Schäden und dem Imageverlust, der durch Fälschungen entsteht.“, so führt die ZGR in ihrer Stellungnahme weiter aus. 

Soweit die Grundlagen. Zurück zum konkreten Fall, der mittlerweile auch durch eine Stellungnahme der Michelin endgültig geklärt ist. Auf die Bitte von Karlheinz Mutz, Chefredakteur der Zeitschrift „Gummibereifung“, hat Dr. Klaus Neb, Direktor Vertrieb Deutschland, Österreich, Schweiz der Michelin Reifenwerke in Karlsruhe, die Sachlage in einem ausführlichen Statement dargestellt. Er bestätigt dabei, dass „Michelin, wie viele andere Markenhersteller auch, von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht“ hat, „in EU-Ländern und nicht nur bei allen deutschen Zollbehörden einen Antrag und Unterlagen, die über die Marken und Produkte Michelins informieren, zu hinterlegen.“ 

Weiter führt er aus: „Bei dem am 15.05.2007 in Rede stehenden Container mit Lkw-Reifen bestand der Verdacht einer Verletzung von Michelin-Markenrechten. Denn die Reifen  
wurden aus Singapur über Hongkong geliefert, stammten aber ausweislich der Reifenkennzeichnungen aus europäischen Michelin-Produktionsstätten“. Neb weiter: „daraufhin entschied das Hauptzollamt die Aussetzung der Überlassung. Sofort wurde Michelin als Inhaber der Markenrechte benachrichtigt und aufgefordert, bis zum 31.05.2007 mitzuteilen, ob es sich um nachgeahmte Waren handle, oder nötigenfalls 10 Tage Fristverlängerung zu beantragen. Noch am gleichen Tag suchten unser zuständiger Vertriebsleiter sowie ein Gebietsleiter den Empfänger der Waren auf, um die dorthin gebrachten Lkw-Reifen in Augenschein zu nehmen. (...) Unsere Mitarbeiter untersuchten die Reifen auf äußerliche Auffälligkeiten und notierten sich die DOT-Nummern. Anschließend wurde mit Hilfe unserer französischen Zentrale geklärt, ob die Reifen tatsächlich aus Produktionen in Europa stammen konnten und auch nicht zu uns als gestohlen gemeldeten Warenmengen gehörten. All dies wurde mit höchster Eile durchgeführt, so dass wir bereits 1 Woche vor Fristablauf gegenüber dem zuständigen Hauptzollamt erklären konnten, dass keine Markenrechtsverletzung festgestellt worden sei. Auch den Empfänger informierten wir am 24.05.2007 darüber telefonisch.“ 

Also: Ende gut, alles gut? Nun, für den betroffenen Händler war dies sicherlich keine angenehme Erfahrung und möglicherweise bleibt ihm – da sich der Verdacht der Zollbehörde letzten Endes als grundlos erwies – neben einem schalen Nachgeschmack von „viel Lärm um nichts“ auch noch eine Umsatzeinbuße, denn laut „Gummibereifung“ soll ihm zwischenzeitlich ein Kunde abgesprungen sein. 

Doch bei allem Verständnis für die Interessen des Handels kann man der Markenindustrie sicher nicht das Recht absprechen, alle rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz ihres geistigen Eigentums zu nutzen. Zudem auch das Argument von Michelin-Vertriebschef Dr. Neb nicht von der Hand zu weisen ist, dass der Schutz vor Marken- und Produktpiraterie durch die Hauptzollämter nicht nur zum Schutz der Markenrechtsinhaber, sondern auch der Verbraucher und des Handels betrieben wird: „Die Nachahmungen sind regelmäßig von minderer Qualität und bringen darüber hinaus Produktsicherheitsrisiken mit sich. Deshalb verstehen die Zollbehörden die Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie als gemeinsames und globales Problem.“ Sein Fazit: „Dieser Fall stellt einen alltäglichen Vorgang im Rahmen der Bekämpfung von Marken- und Produktpiraterie dar. Die Unterstützung der Hauptzollämter beim Schutz des geistigen Eigentums stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Dabei lässt es sich allerdings nicht vermeiden, dass in manchen Fällen – wie dem vorliegenden – auch rechtmäßig agierende Händler betroffen sind. Allerdings ist das die Ausnahme. Nach unseren bisherigen Erfahrungen liegen der ganz überwiegenden Zahl von Zurückhaltungen durch die Zollbehörden Verletzungen unserer Markenrechte zu Grunde.“  

Als Fazit für den Reifenhandel bleibt festzuhalten, dass bei Importen von Markenprodukten aus Drittländern mit Verzögerungen gerechnet werden muss, wenn der Hersteller der Ware bei der Zentralstelle Gewerblicher Rechtsschutz einen Antrag auf Tätigwerden der Zollbehörden gestellt hat und dieser bewilligt wurde. Eine Liste der entsprechenden Unternehmen ist im Internet unter www.zoll.de  abrufbar. Einfach hier im Suchfeld das Stichwort „Schutzrechte” eingeben und anschließend das Suchergebnis „Antragsteller” anklicken. Auf dieser Website finden Interessenten auch umfangreiche Informationen zu den Themenbereichen „gewerblicher Rechtsschutz“ sowie „Marken- und Produktpiraterie”. 

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