Bereifung – gesetzliche Grundlagen
Gesetzliche Grundlagen für zulässige Bereifungen an Kraftfahrzeugen
Die bisherige gesetzliche Grundlage für die zulässige Bereifung, die Verordnung (EG) Nr. 661/2009, wurde durch die VO(EU) 2019/2144 am 2.Juli 2022 aufgehoben. Die Anforderungen dieser Richtlinie sind aber mit Bezug auf die ECE R 142 übernommen worden. Insofern hat sich inhaltlich de facto nichts geändert.
- Nach ECE R 142, Abschnitt 5.2.2 Tragfähigkeit gilt nach wie vor vom Grundsatz her:
Die maximale Tragfähigkeit jedes Reifens, der an einem Fahrzeug montiert wird, muss im Fall eines Fahrzeuges, an dem Reifen des gleichen Typs in Einzelanordnung montiert sind, für die Achse mit der höchsten Belastung mindestens der Hälfte der vom Fahrzeughersteller angegebenen Achslast (Ziffer 16 Fahrzeugschein alt, Ziffer 7.1 – 7.3 Zulassungsbescheinigung Teil 1 neu) entsprechen. - Nach ECE R 142, Abschnitt 5.2.3 Geschwindigkeit gilt nach wie vor vom Grundsatz her:
Jeder Reifen, mit dem ein Fahrzeug ausgerüstet ist, muss ein Geschwindigkeitskategorie-Symbol aufweisen, das der vom Fahrzeughersteller angegebenen bauartbestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeuges (Ziffer 6 Fahrzeugschein alt, Ziffer T Zulassungsbescheinigung Teil I neu) oder der jeweiligen Belastungs-/ Geschwindigkeitskombination entspricht.
Das bedeutet zusammengefasst, dass Bereifungen an Kraftfahrzeugen, die den o. g. Punkten entsprechen genauso zulässig sind, wie die durch den Automobilhersteller frei-gegebenen Bereifungen (Eintragungen im Fahrzeugschein oder den COC-Papieren) – auch wenn sie sich von diesen unterscheiden – und es bedarf keiner Änderung/Ergänzung der Fahrzeugpapiere dazu!
Verordnung (EU) 2019/2144 und die relevanten UN-ECE Regelungen können auf der Webseite des BRV (www.bundesverband-reifenhandel.de) unter der Rubrik
Mitglieder > Service > Recht > Gesetze & Verordnungen
abgerufen werden. Auf die Schwerpunkte/Hauptinhalte der Verordnung wird im Folgenden näher eingegangen.
Schwerpunkte/Hauptinhalte:
Tragfähigkeitsindex:
Achtung bei einer bauartbestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeuges von über 210 km/h – hier sind ggf. die folgenden Tragfähigkeitsabschläge zu berücksichtigen:
Reifentragfähigkeit (Abschläge)
- V-Reifen 100 % bei 210 km/h, linear abfallend bis 91 % bei 240 km/h
- W-Reifen 100 % bei 240 km/h, linear abfallend bis 85 % bei 270 km/h
- Y-Reifen 100 % bei 270 km/h, linear abfallend bis 85 % bei 300 km/h
- ZR-Reifen 100 % bei 240 km/h, bis 270 km/h linearer Abschlag von 5 % für + 10 km/h, über 270 km/h Hersteller befragen bzw. generell zur Tragfähigkeit!
Erfüllt die Bereifung die Forderungen zur Tragfähigkeit nach ECE R 142, Abschnitt 5.2.2 ist sie auch zulässig, wenn sie hinsichtlich der Zusatzkennzeichnung, „Reinforced/-XL/HL-“, „C“ und „CP“ nicht dem entsprechenden Eintrag in den Fahrzeugpapieren entspricht! Im Grenzbereich sind allerdings die Felgenmaulweiten zu prüfen (z.B. Pkw 205/65 R 15 nach ETRTO bis 7 ½ Zoll möglich, Llkw 205/65 R 15 C nur bis 6 ½ Zoll)! Zu beachten ist hier aber, dass Pkw-Reifen, Reinforced-Reifen, XL-/HL-Reifen, C-Reifen und CP-Reifen einen jeweils unterschiedlichen Basisluftdruck und damit ggf. unterschiedliche Tabellenluftdrücke haben, die dann zu berücksichtigen sind (siehe Tabellen der betreffenden Reifenhersteller, der entsprechenden wdk-Leitlinien, im ETRTO-Handbuch oder „Luftdruckrechner“ der Reifenhersteller)!
Mischbereifung:
Erinnert sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich, das Mischbereifung von Reifen unterschiedlicher Bauart nach wie vor unzulässig ist. Die Bauart bezeichnet nach ECE R 30 bzw. 54 die technischen Merkmale der Karkasse. Insofern nach BRV-Meinung nicht nur Diagonal- und Radialreifen, sondern auch Pkw-Reifen (nach ECE-R 30, einschließlich Reinforced/XL/HL) und Lkw-Reifen (nach ECE-R 54, einschließlich Llkw-Reifen/C- und CP-Reifen). Unabhängig davon empfehlen die wdk-Reifenhersteller und der BRV nach wie vor grundsätzlich an allen vier Radpositionen Reifen der gleichen Bauart, des gleichen Herstellers und der gleichen Profilausführung zu montieren, mindestens achsweise und wenn achsweise, dann wie folgt:
- „reine“ Pkw-Reifen-C-Reifen – nicht zulässig!
- „reine“ Pkw-Reifen-CP-Reifen – nicht zulässig!
- Reinforced/XL-/HL-Reifen-C-Reifen – nicht zulässig!
- Reinforced/XL-/HL-Reifen-CP-Reifen – nicht zulässig!
- C-Reifen-CP-Reifen – wenn, möglichst nur achsweise![1]
- „reine“ Pkw-Reifen-Reinforced/XL-/HL-Reifen – wenn, möglichst nur achsweise!1
Dürfen auf einem Pkw in Deutschland auf einer Achse oder generell verschiedene Fabrikate und/oder Reifen-/Profilausführungen verbaut werden, wenn diese alle die gleiche Bauart (radial oder diagonal) aufweisen und die Vorgaben in Bezug auf Reifengröße, Tragfähigkeit und Geschwindigkeit erfüllen?
Nach § 36 der StVZO „dürfen Personenkraftwagen sowie andere Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t und einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 km/h und ihre Anhänger entweder nur mit Diagonal- oder nur mit Radialreifen ausgerüstet sein; im Zuge gilt dies nur für das jeweilige Einzelfahrzeug. Eine Beschränkung auf die Verwendung von Reifen des gleichen Reifentyps ist demnach für diese Fahrzeuge in Deutschland bislang nicht vorgeschrieben.“, so das Bundesverkehrsministerium (BMVI) in seiner Stellungnahme vom 1. März 2021.
Die dem widersprechend verhängten Bußgelder oder Beanstandungen im Rahmen einer Fahrzeugkontrolle bzw. Hauptuntersuchung wären also unzulässig.
Allerdings weist das BMVI darauf hin, dass hier eine Anpassung der StVZO bereits geplant ist, um eine Harmonisierung mit den Anforderungen der EU-Verordnung 2019/2144 bzw. ECR R 142 zu erreichen. Diese fordert eine achsweise Bereifung mit dem gleichen Reifentyp, hierauf hat der BRV im Hinblick auf die Bereifung von Nutzfahrzeugen, die im europäischen Ausland unterwegs sind, bereits hingewiesen (siehe BRV-Handbuch unter „Bereifung – Mischbereifung: Nutzfahrzeuge). Zur zeitlichen Umsetzung dieser Anpassung kann allerdings derzeit jedoch noch keine konkrete Aussage getroffen werden.
Geschwindigkeitsindex:
Nur bei Fahrzeugen, die keine EG-Typengenehmigung besitzen – siehe hierzu im Zweifelsfalle die Zulassungsbescheinigung Teil I unter K – Nummer der EG-Typengenehmigung oder ABE – wenn dort keine „e-Nummer“ angegeben ist, sondern eine ABE oder Einzelbetriebserlaubnis nach StVZO vorliegt, berechnet sich die durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit wie folgt:
Vmax = (Höchstgeschwindigkeit nach Ziffer 6 Fahrzeugschein alt, Ziffer T Zulassungsbescheinigung Teil I neu, plus 6,5 km/h) + (0,01 x Höchstgeschwindigkeit nach Ziffer 6 Fahrzeugschein alt, Ziffer T Zulassungsbescheinigung Teil I neu) – Faustregel plus 9 km/h.
Allgemeines:
Angaben zu Reifenfabrikaten, speziellen Herstellermarkierungen und / oder zu „nur Sommerreifen“ und / oder „nur Winterreifen“ in den Fahrzeugpapieren haben „nur“ Empfehlungscharakter. Bei Motorradreifen beachten Sie bitte die separaten Ausführungen unter „Wegfall Fabrikatsbindung bei Motorradreifen”!
Generelles: Grundsätzlich wird niemand daran gehindert, trotzdem in erster Linie die vom Fahrzeughersteller freigegebenen Reifendimensionen hinsichtlich des Speed- und/oder Loadindex zu montieren!
Klärung zu zulässigen Rad-/Reifenkombinationen am Fahrzeug
Sind die in Typengenehmigungsunterlagen/Fahrzeug-/COC-Papieren eines Fahrzeuges oftmals verwendeten Zusätze wie „M+S“, „nur M*S“ oder „nur Winter“ bei einer freigegebenen Rad-/ Reifenkombination verbindlich oder haben sie nur Empfehlungscharakter?
Hierzu werden von Vertragswerkstätten der Fahrzeughersteller oftmals die Aussage getroffen, dass diese Zusätze zwingend zu beachten und einzuhalten sind.
Der BRV hat, nach einer entsprechenden Entscheidung im FKT-Sonderausschuss aus dem Jahre 2004 auf Grundlage der VO(EU) 2011/458 (jetzt VO(EU) 2019/2144 bzw. ECE R 142) immer die Auffassung vertreten und kommuniziert, dass solche Zusätze nur Empfehlungscharakter haben und demnach ALLE in den Typengenehmigungspapieren zugelassen Rad/Reifenkombinationen zulässig sind, solange sie der Reifen-/Radgröße und den Mindestanforderungen der Achslasten und der Höchstgeschwindigkeit (Ausnahme Winter und Ganzjahresreifen) entsprechen. D.h. alle, mit oder ohne diese Zusätze gekennzeichneten Rad-/Reifenkombinationen dürfen sowohl als Sommer- oder auch als Winter-/Ganzjahresreifen verbaut werden. Dies wurde nun erneut vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr – Referat StV 22 Fahrzeugtechnik – offiziell bestätigt. Das BMDV führt hierzu Folgendes aus:
„Im Rahmen der EU-Typgenehmigung von Fahrzeugen der Klassen M, N und O sind für die Montage der Reifen die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 458/2011 (Anmerkung: Jetzt ECE R 142) anzuwenden.
Werden bereits zugelassene EU-typgenehmigte Fahrzeuge der Klassen M, N und O hinsichtlich der Bereifung geändert, ist das jeweilige nationale Recht der Mitgliedstaaten einschlägig. In Deutschland gelten bezüglich der Bereifung die Anforderungen des § 36 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Nach Maßgabe des § 36 Absatz 2 StVZO müssen Maße und Bauart der Reifen von Fahrzeugen den Betriebsbedingungen, besonders der Belastung und der durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs, entsprechen.
Die Verwendung der im Rahmen der EU-Typgenehmigung genehmigten Rad-Reifen-Kombinationen (siehe Übereinstimmungsbescheinigung (COC) oder Zulassungsbescheinigung) ist selbstverständlich zulässig.
Außerdem sind alle anderen zulässigen Rad-/Reifenkombinationen, egal ob sie vom Fahrzeughersteller direkt bzw. durch eine ABE des Räderherstellers freigegeben oder im Rahmen einer Einzelabnahme/Eintragung erfolgt sind/werden, wie bisher, weiterhin ohne Einschränkung zulässig. Dies gilt auch für den Tuning-Bereich, ohne dass hierfür irgendwelche Abgasgutachten erforderlich wären.
Die vorgenannten Vorschriften schränken grundsätzlich nicht ein, an einem Fahrzeug Reifen mit der Kennzeichnung „M+S“ oder dem sogenannten „Alpine-Symbol“ (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) in der für das Fahrzeug genehmigten Reifengröße zu verwenden, sofern alle übrigen Parameter (z.B. Geschwindigkeitskategorie, Reifentragfähigkeit) erfüllt sind. Dies gilt auch für den Fall, wenn die im COC oder der Zulassungsbescheinigung genannten Reifengrößen nicht mit dem Verwendungszweck „M+S“ oder dem sogenannten „Alpine-Symbol“ (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) versehen sind.
Ebenso schränken die vorgenannten Vorschriften grundsätzlich nicht ein, an einem Fahrzeug Reifen ohne die Kennzeichnung „M+S“ oder dem sogenannten „Alpine-Symbol“ (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) in der für das Fahrzeug genehmigten Reifengröße zu verwenden (sofern alle übrigen Parameter (z.B. Geschwindigkeitskategorie, Reifentragfähigkeit) erfüllt sind), wenn die entsprechende Reifengröße im COC oder der Zulassungsbescheinigung mit dem Verwendungszweck „M+S“ oder dem sogenannten „Alpine-Symbol“ (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) versehen sind. Diese Feststellung wurde in der FKT-Sonderausschusssitzung Räder/Reifen vom 28.April 2022 offiziell protokolliert.“
Ergänzend hierzu sollte sichergestellt werden, dass bei Rad-/Reifenkombinationen (in der Regel in Verbindung mit UHP-Reifen und großen Raddurchmessern) die evtl. benötigte Freigängigkeit beim (erforderlichen) Einsatz von Schneeketten gegeben ist.
[1] An dieser Stelle nochmals der Hinweis auf die unterschiedlichen Basisluftdrücke, siehe oben.